Abendzeitung München reviews Leif Ove’s recital in Munich

“Idylle und Abgrund“hat Jörg Widmann sechs SchubertÜbermalungen überschrieben. Sie standen auf dem Programm des Klavierabends von Leif Ove Andsnes im Prinzregententheater und waren gleichsam das Motto des ganzen Konzerts. Den 47-jährige Norweger lässt die Musik wie im Moment entstehen. Jeder Komponist, ob Chopin oder Widmann, wird für die Dauer des Abends zum Zeitgenossen. Andsnes trägt keinen Frack, sondern einen eleganten grauen Anzug mit Einstecktuch. Er spielt nüchtern, ohne die Musik auf ein strukturelles Skelett zu reduzieren. Davor bewahrt ihn ein runder, weicher und höchst opulenter Klavierton ohne störend klirrenden Diskant.

“Den Abend eröffneten wohltönende Miniaturen von Jean Sibelius. Dann spiegelten sich Franz Schuberts drei Klavierstücke D 964 in Widmanns Postmoderne. Der Zeitgenosse formulierte das moderne Verständnis des Wiener Romantikers. Dessen Musik musste Andsnes dann nicht mehr forcieren: Er versteht es ohnehin, unter einer Oberfläche von Ruhe und Schönheit immer eine innere Nervosität spüren zu lassen.

“Im gleichen Geist nach der Pause Beethovens Sonate Nr. 17 ohne überdrehtes Gedonner und Brio. Und zuletzt eine von interpretatorischem Zierrat entlastetes Nocturne und die Ballade Nr. 4 von Frédéric Chopin. Ein klug zusammengestellter Klavierabend, ein herausragender Pianist.”

 

 

Source: Abendzeitung München